„Ideologische Marktlage“

Friedrich Naumann (*1860 – 1919) war evangelischer Theologe und liberaler Politiker zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches, nach dem die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit benannt ist. Naumann stand für die Verbindung freiheitlicher Werte mit sozialer Ader, vereint unter dem Banner des Protestantismus. Er stellte sich gegen Antisemitismus und dachte von Europa als einer Idee, um endlich Frieden zu erlangen. Zum „Naumann-Kreis“ gehörten damals und später Zeitgenossen wie Max Weber oder Lujo Brentano, sowie aufsteigende Geister wie Theodor Heuss, aber auch Personen wie Gustav Stresemann, die später politisch ganz andere Wege gehen sollten.

Alle Jahre wieder wird Naumann und der Stiftung selbigen Namens vorgeworfen, dass Naumann angeblich ein Wegbereiter des Nationalsozialismus gewesen sei, weil Adolf Hitler von ihm ganze Passagen seines außenpolitischen Programms  aus dem Zusammenhang gerissen abgeschrieben hätte(Hayek) und damalige Wörter heute eine andere Bedeutung mitschwingen lassen.Immer wenn die Diskussion um Naumann wieder von vorne losgeht, dauert es ca. fünf Minuten, bis das Thema schwenkt und es darum geht, ob Naumann überhaupt ein „Liberaler“ war.

Dabei wird von den unter dem irreführenden Label „Neoliberale“ Hofierden gerne eine Kleinigkeit übersehen. Sie verstehen Liberalismus so, dass jeder tun kann was er will, wenn er die Mittel dazu hat und das wäre dann Freiheit, was natürlich Quatsch ist. Sowas führt nur dazu, dass wenige alle Freiheit besitzen und viele gar keine. Liberalismus aber verteidigt die Freiheit jedes Einzelnen! Denn wenn die absolute Freiheit  einer Gruppe die Freiheit Schwächerer unmöglich macht, wird der Freiheitsbegriff ad absurdum geführt und ist gesellschaftsfeindlich. Naumanns von Kritikern als „Sozialismus“ verschriener Kurs hat ja absolut nichts mit gescheiterten Ostblockdiktaturen zu tun, sondern basiert auf demokratischer Kontrolle der Produktionsmittel, um Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeitnehmer zu verhindern. Solche Aspekte findet man – oh Wunder – auch in etwas wieder, was sich Soziale Marktwirtschaft nennt, dessen Konzept auf Vorstellungen basiert, die mit durchaus unterschiedlicher Akzentuierung schon in den 1930er und 1940er Jahren entwickelt wurden und die damals unter dem – heute anders- bzw. mehrdeutigen – Ausdruck „Neoliberalismus“ eingereiht worden sind[s.o.]. Und da findet sich auch der Ordoliberalismus wieder und wenn man dann anfängt Walter Eucken als sozialistischen Hippie-Kommunisten darzustellen, sollte man vielleicht mal kurz innehalten, ob des Schwachsinns, den man von sich gibt.

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6 Antworten zu „Ideologische Marktlage“

  1. 3-6 schreibt:

    „Sie verstehen Liberalismus so, dass jeder tun kann was er will, wenn er die Mittel dazu hat und das wäre dann Freiheit, was natürlich Quatsch ist. Sowas führt nur dazu, dass wenige alle Freiheit besitzen und viele gar keine. Liberalismus aber verteidigt die Freiheit jedes Einzelnen! Denn wenn die absolute Freiheit einer Gruppe die Freiheit Schwächerer unmöglich macht, wird der Freiheitsbegriff ad absurdum geführt und ist gesellschaftsfeindlich.“

    Mir gefällt das Menschenbild, dass hinter dieser Überlegung steht, absolut nicht; aber ich fürchte, das hatten wir schonmal… das Weltbild gefällt mir btw. auch nicht.

    Es ist durchaus möglich, dass sich jeder Mensch frei entfalten kann. Klar bestehen für jeden Menschen durch die Familie, in die man geboren wird, andere Voraussetzungen. Und natürlich kann nicht jeder das tun, was er gern tun würde. Ein Leben in Freiheit ist nicht sehr bequem.

    Aber solange man seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, hat man die Chance auf ein glückliches Leben. Es ist ein völliger Trugschluss, Glück oder Zufriedenheit nur vom materiellen Reichtum abhängig zu machen. Es geht nicht darum, dass jeder ein iPhone hat, sich von Biolebensmitteln ernährt und seiner Passion für irgendein nicht marktkonformes Hobby auslebt und dabei von den Mitbürgern ausgehalten wird, die an der Kasse die Dosenravioli über den Scanner ziehen.

    „demokratischer Kontrolle der Produktionsmittel“

    Dir ist schon bekannt, wie weit die Mitbestimmung in Unternehmen geht? 50% – 1, d.h. der Eigentümer BLEIBT auch Eigentümer. Alles andere ist auch Unsinn.

  2. farmerboy schreibt:

    „Dir ist schon bekannt, wie weit die Mitbestimmung in Unternehmen geht? 50% – 1, d.h. der Eigentümer BLEIBT auch Eigentümer. Alles andere ist auch Unsinn.“

    Und genau aus dem Grund sind Aktiengesellschaften auch Unsinn.

    Passt auch zum Thema:
    „Die eigene Freiheit hört an der Nasenspitze der Mitmenschen auf.“

  3. 3-6 schreibt:

    Seltsamerweise hindert dies eine Menge Leute nicht daran, über das Portemonai ihrer Mitmenschen bestimmen zu wollen 😉

  4. farmerboy schreibt:

    Ist ja eigentlich im Grunde ganz simpel.
    „Die Menschen gewinnen und verlieren schon seit Jahrtausenden am Roulette-Rad des Lebens. Aber wenn das Rad angehalten wird sollte man wenigstens ein paar Gedanken an die Armen Schlucker verschwenden, die gerade auf der Null sitzen.“
    Denn wenn man das nicht tut und zuviele bei Null angelangt sind könnte es passieren daß die drüber nachdenken wie sie den Dealer umhauen und neue Spielregeln aufstellen können… 😉

    Und dem hier kann ich auch als Unternehmer nur zustimmen.
    „Denn wenn die absolute Freiheit einer Gruppe die Freiheit Schwächerer unmöglich macht, wird der Freiheitsbegriff ad absurdum geführt und ist gesellschaftsfeindlich.”
    Denn die Freiheit absolute Freiheit weniger nennt sich Diktatur.

  5. sirdoom schreibt:

    ^^Amen

    Ich rede auch gar nicht davon die Unterschicht mit Iphones zu pampern oder staatliche Politkommissare in jedes Vorstandsbüro zu schicken. Wobei letzteres gibt es ja schon de facto, allerdings unter anderen Vorzeichen.

  6. 3-6 schreibt:

    Beides ist in meinen Augen nicht möglich. Da würde ich wirklich gern mal ein Beispiel sehen, wie das aussehen soll.

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