„No Such Stuff – No Such Argument“

Im Verlauf der mittlerweile weltweiten Abhör-Affäre greifen die medialen Gegenangriffe gegen den Whistleblower Edward Snowden langsam. In Deutschland erschien dazu bei Welt Online ein bezeichnendes Stück von Jaques Schuster: Ein Luftgeist im Nirgendwo hält die Welt in Atem.

Sie vergessen eines: Freigeister und Demokraten fliehen nicht in autoritäre Regime wie nach China, Russland oder Ecuador. Wenn sie meinen, sie müssten aufdecken, was die CIA und ihre Schwestern treiben, dann gehen sie zur New York Times oder Washington Post.

no-such-stuff-no-such-argument-logoAuf eine gewisse Weise ist das fast schon lustig. Snowden hat den Guardian und die Washington Post unterrichtet, die seitdem darüber berichten. Andere Zeitungen berichten seitdem über Snowden, aber so gut wie keine über den eigentlichen Skandal. Sowas nennt man ein journalistisches Armutszeugnis. Im Gegenteil greifen die Medien sich sogar selbst an. Wie kann ein investigativer Journalist auf die unendlich dumme Idee kommen und behaupten, dass Whistleblower böse seien und erschossen gehören? Was macht denn ein Journalist? Es sei denn man wirft die Berufseigenschaften vollkommen aus dem Fenster und bezeichnet sich selbst als schleimige Form von Exkrementen, die nur weitertrötet, was die PR-Abteilungen von Regierung und Wirtschaft absondern.

Journalism is the one solitary respectable profession which honors theft (when committed in the pecuniary interest of a journal,) & admires the thief….However, these same journals combat despicable crimes quite valiantly–when committed in other quarters.Mark Twain – Brief an W. D. Howells, Oktober 1880

Dabei ist die Grundannahme auch vollkommen falsch, denn die wäre: Was sagt es über unsere ach so freien Demokratien aus, wenn ein Whistleblower gezwungen ist, der einen riesigen Skandal aufdeckt, in Länder wie China oder Russland zu fliehen? Was sagt es über die westliche Welt aus, wenn die Sicherheitsbehörden einen Überwachungsstatt nach Vorbild autoritärer Regimes betreiben, „zu unserer Sicherheit„? Davon ab ist es im Zusammenhang vollkommen absurd den demokratischen Staat Ecuador als autoritäres Regime zu bezeichnen, was man eigentlich nur macht, wenn man einen Sponsoring-Deal mit der CIA hat, deren Hauptaufgabe in Lateinamerika ja darin besteht, demokratische gewählte Regierungen in blutigen, von den USA finanzierten Bürgerkriegen zu beseitigen; Nicaragua anyone?

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14 Antworten zu „No Such Stuff – No Such Argument“

  1. 3-6 schreibt:

    „Was sagt es über unsere ach so freien Demokratien aus, wenn ein Whistleblower gezwungen ist, der einen riesigen Skandal aufdeckt, in Länder wie China oder Russland zu fliehen?“

    Wie willst Du denn Geheimnisschutz organisieren, wenn man nur „edle Gründe“ für den Verrat haben muss, um straffrei zu bleiben?
    Der Punkt ist schlicht, dass die Programme in Teilen der Bevölkerung kritisiert werden, aber ganz offensichtlich legal sind.
    In einem Rechtsstaat muss man aber eben die Konsequenzen tragen, wenn man eine Straftat begeht. Alles andere wäre Anarchie.

    Abgesehen davon: alle anderen Staaten tun es gleich, je nachdem natürlich, welche Mittel sie haben. Kampf um Information gibt es immer, muss es geben. Die Welt ist leider kein Schrebergarten.

  2. sirdoom schreibt:

    „Wie willst Du denn Geheimnisschutz organisieren, wenn man nur “edle Gründe” für den Verrat haben muss, um straffrei zu bleiben?“

    Verfassungsgemäß, ohne Grundrechte mit Füßen zu treten wäre ja mal ein Anfang…

    „Der Punkt ist schlicht, dass die Programme in Teilen der Bevölkerung kritisiert werden, aber ganz offensichtlich legal sind.“

    Technisch mag das sogar fast angehen, aber der Missbrauch ist ja trotzdem offensichtlich. Die NSA sagt, sie würde nur Ausländer oder Kommunikation mit Ausländern totalüberwachen. Stimmt vielleicht auf dem Papier, da sie sich alles andere von den Briten besorgt, die das Spiel genauso spielen. Wenn man sich Gesetzeslücken absichtlich maßschneidern lässt um die Grundrechte zu umgehen, dann ist das ein Problem.

    „In einem Rechtsstaat muss man aber eben die Konsequenzen tragen, wenn man eine Straftat begeht. Alles andere wäre Anarchie.“

    Demnach sind die Zustände bei den Geheimdiensten reisnte Anarchie, sonst müssten sie Konsequenzen tragen? Wenn sogar Geheimdienstmitarbeiter davor warnen, dass die Programme zu weit gehen, hatte ich neulich schon verlinkt, dann weiß man doch, dass die Exkremente durch den Ventilator geflogen sind.

    „Abgesehen davon: alle anderen Staaten tun es gleich, je nachdem natürlich, welche Mittel sie haben. Kampf um Information gibt es immer, muss es geben. Die Welt ist leider kein Schrebergarten.“

    Jeder tut es“ war ja noch nie ein gutes Argument. 😉 Aber mal ernsthaft: Natürlich wird es immer einen Kampf um Informationen geben und es ist der Job von Geheimdiensten Gefahrenabwehr für ihr Land zu betreiben. Aber diese ganze Geschichte ist ja offensichtlich vollkommen außer Kontrolle geraten.

    Die Außenwelt der Innenwelt – Plädoyer für einen europäischen Untersuchungsausschuss

  3. 3-6 schreibt:

    „Verfassungsgemäß, ohne Grundrechte mit Füßen zu treten wäre ja mal ein Anfang…“

    Aber wenn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Amtsgründen eingeschränkt wird, und man das als Angestellter aktenkundig unterschreibt – wieso jetzt das Aufhebens? Er sagt ja selbst, dass er sich der Tragweite seiner Tat bewusst ist. Wieso sollte er nicht bestraft werden?

    Was den Austausch von GCHQ und NSA angeht: die tauschen auch mit uns. Stichwort: Sauerland-Gruppe.

  4. sirdoom schreibt:

    Angemessene Bestrafung nach einem fairen Prozess, wäre ja jetzt nicht das Problem, bloß Snowden kann ja davon ausgehen, dass dem nicht so sein wird. Aus dem DOJ kam ja schon „10 or 20 year penalty for each count, with each document leaked considered a separate charge„, sprich lebenslänglich ohne Chance jemals wieder rauszukommen.

    Der Austausch von Informationen zu akuten Bedrohungslagen ist ja nicht das Problem. GCHQ und NSA tauschen ALLES aus und unterlaufen damit den eigentlich durch Gesetze garantierten Schutz der eigenen Bevölkerung.

  5. 3-6 schreibt:

    Aber das sind doch die normalen Gesetze in den USA?

    Ich denke, dass nur Ergebnisse getauscht werden. Die sind unter Diensten ja wie Bargeld – die reine Information eher nicht. Dafür ist die Trefferquote zu gering.

  6. Cunningham schreibt:

    Und damit sind wir bei der Frage, ob die Vereinigten Staaten noch den 8. Zusatartikel ihrer eigenen Verfassung nachkommen…

  7. XDragoon schreibt:

    Freedom House zum Thema Ecuador:
    http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/ecuador
    Ich habe den Bericht selbst nicht gelesen, aber wenn Freedom House etwas als „partly free“ einordnet, würde das auch von der Politikwissenschaft hierzulande nahezu sicher das Prädikat „Defekte Demokratie“ bekommen. D.h. grundsätzlich sind demokratische Systemelemente vorhanden, wie etwa freie und geheime Wahlen des Parlaments, aber dass z.B. der Präsident mehr in die Tat umsetzt als dieser eigentlich de jure Befugnisse hat.

  8. sirdoom schreibt:

    Was bei präsidialen Republiken eigentlich immer der Fall ist, siehe USA 😉 Daraus umgehend ein „autokratisches Regime“ zu basteln ist imho ziemlich frech.

    Aber das sind doch die normalen Gesetze in den USA?

    Vorweg: Ich bin kein Experte für US-amerikanische Gesetzestexte im Querschnitt Arbeitsrecht, Geheimhaltungsklauseln, Spionage, etc. Das Themengebiet ist auch ein ziemlich unübersichtliches Minenfeld. Alleine auf Wikipedia kann man zum Themenkomplex mit weiterführenden Links monatelang Quellen dazu lesen.

    Normalerweise ist der Whistleblower-Schutz in en USA sogar relativ gut, aber es gibt eine Sonderregel für Leute im (erweiterten) Staatsdienst, die afaik auch in den nächsten Jahren durch Gerichte geprüft werden muss, die da Ausnahmen macht. Das wäre an sich nicht sooo schlimm, aber es gibt ja noch die unglaublich schwammige Klausel „nationale Sicherheit“, deren Spannweite je nach Lust und Laune auslegbar und ein anhaltender Streitpunkt ist, gerade weil sie immer weitgehender ausgelegt wird, ALLES ist nationale Sicherheit…

    Das DOJ argumentiert: Niemand wusste, dass wir die Welt überwachen und durch den Leak ändern Terroristen ihre Kommunikation und die Sicherheit der USA ist bedroht, weswegen die Sonderkarte „nationale Sicherheit“ greift und Whistleblowerschutz nicht zählt. Was argumentativ natürlich auf unglaublich dünnen Beinen steht und bei der Ansage kann man einen fairen Prozess schon mal vergessen, insbesondere, wenn sich das DOJ den Gerichtsstandort aussuchen darf.

  9. sirdoom schreibt:

    Für die Moral der NSA war ist die ganze Geschichte nicht wirklich förderlich. General Keith Alexander sieht sich schon genötigt Durchhalteparolen und Streicheleinheiten auf die NSA Homepage zu stellen [Link/auf eigene Gefahr!: Statement to the NSA/CSS workforce]

    The workforce „has executed its national security responsibilities with equal and full respect for civil liberties and privacy. The issue is one that is partly fueled by the sensational nature of the leaks and the way their timing has been carefully orchestrated to inflame and embarrass.“ […] „Please do not let this distract you from your work or cause you to worry that your work is not valuable, valued, and honorable. It is all three. […] Let me say again how proud I am to lead this exceptional workforce, uniformed and civilian, civil service and contract personnel,” he continued. “Your dedication is unsurpassed, your patriotism unquestioned, and your skills are the envy of the world.

    *schnüff*

  10. sirdoom schreibt:

    Auf Glenn Greenwald, den Reporter der sich der Sache als erster angenommen hat, hat man sich auch schon eingeschossen: NSA-Reporter Glenn Greenwald: Hetzjagd auf Snowdens Mittelsmann

  11. 3-6 schreibt:

    “Your dedication is unsurpassed, your patriotism unquestioned, and your skills are the envy of the world.”

    So nen Spruch aufs Certificate bekommst Du schon, wenn Du unfallfrei aufs Klo kannst.

  12. sirdoom schreibt:

    Da fehlt uns in Deutschland einfach etwas der Pathos, was? 😉

  13. Pingback: “Die Guten dürfen das!” |

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