„No Such Stuff – No Such Limit“

Während Snowden nach letzten Verschwörungstheorien mit schwarz gefärbten Haaren, Schnurrbart und Sombrero auf dem Weg gen Lateinamerika ist – die Kontrolleure haben ihn wegen der brillanten Verkleidung nicht gefunden, als die USA Frankreich, Italien und Spanien dazu gezwungen haben, das Flugzeug von Boliviens Präsidenten Morales in Österreich mangels Überflugrechten landen zu lassen [Link] – und nachdem das US-amerikanische PRISM und das englische TEMPORA aufgeflogen sind, kommt gerade das französische Spitzelprogramm ans Licht [Link], wobei wir sicher sein können, dass da noch mehr herauskommen wird. Wie z.B. die Überwachung aller physischer Postsendungen in den USA [Link]. Was ja eigentlich ein alter Hut ist. In Deutschland haben die USA die Regierungen ja auch lange Zeit gezwungen gegen die eigenen Gesetze zu verstoßen [Link], wobei man vermuten kann, dass einige Regierungen freudig und nicht verärgert mitgemacht haben.

no-such-stuff-no-such-limit-logoAber kommen wir mal zum Kern der Sache: Die Krokodilstränen der europäischen Politiker sind ziemlich lächerlich, da sie selber seit Jahren an einem Überwachungsstaat basteln, während diejenigen die unsere Freiheiten und Rechte schützen sollen, eher damit beschäftigt sind diese zu vernichten [Link]. Wie wohl die STASI gegen den NSA abschneiden würde, rein von der Menge an Informationen? Kann man hier sehen. Im Ernst: Natürlich ist es der Job von Geheimdiensten Informationen zu beschaffen und Gefahren abzuwehren, was schon immer so war. Der Haken ist, dass wir mittlerweile an einem Punkt angekommen sind, der sich nur noch durch absolute Maßlosigkeit auszeichnet. Es geht gar nicht mehr um Sicherheit. Die Argumentation „Terrorismusbekämpfung“ – wahlweise wird jetzt auch schon wieder Kinderpornographie als Scheinargument eingestreut, weil der Standpunkt so dünn ist – muss ja eine Verhältnismäßigkeit aufweisen, denn die Errichtung eines totalitären Überwachungsstaates, der die verbrieften Freiheitsrechte der Bürger anlasslos und für jeden eliminiert ist weitaus gefährlicher. Es ist Staatsterrorismus im großen Stil!

Ziemlich unkreative Apologeten dieses Vorgehens werfen dann immer ein „es wäre doch nur zum Besten der Bevölkerung„, „wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nichts zu befürchten“ oder „wir bewegen uns auf dem Boden der Gesetze!„. Kommentar dazu: Der Mauerbau war auch nur zum Besten der Bevölkerung und die Verantwortlichen haben schließlich alle Menschen geliebt. Wer nichts zu verbergen hat, macht beim kacken trotzdem die Klotür zu, wenn andere Leute im Haus sind, oder? Wer sich auf dem „Boden“ von Gesetzen bewegt, wühlt meist im Abfall. Was nie gut geht.

Panoptikum-cc-by-sa-I-Punkt-FrimanDabei sind die Gefahren offensichtlich und auch historisch durchaus belegbar. Gerade in Deutschland sollten wir uns dessen bewusst sein, haben wir doch mit dem Dritten Reich und der DDR gleich zwei hinreichende Beispiele. Aus Totalüberwachung ergibt sich immer willkürliche Überwachung, weil verdachtslos und anlassunabhängig, wobei die Verknüpfung von Daten außerhalb ihrer ursprünglichen Zusammenhänge geradezu zu katastrophalen Missverständnissen führen muss. Da ist dann auch die Hexenjagd nah, wenn aus bestimmten statistischen Wahrscheinlichkeiten Schlüsse abgeleitet werden, die nicht immer zutreffen. Diese Vorab-Diskriminierung und Schuldvorhersage mündet dann in einer Umkehr der Beweislast, wo der Betroffene gegen unbekannte Vorwürfe und Beschuldiger ankämpft und kein rechtsstaatliches Verfahren mehr existiert. Dies schafft ganz allgemein ein Klima des Misstrauens, weil jeder verdächtig ist. Damit einher geht der Verlust an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung und die Verächtlichmachung von Individualität, da Abweichungen von der Norm „verdächtig“ und nicht erwünscht sind. Überwachung hat unter anderem auch die Folge, dass die Überwachten sich konformer (zu dem, was nach den aktuellen Moral- und Wertvorstellungen jeweils vorgegeben wird) verhalten, jedenfalls dann, wenn sie sich überwacht glauben und handeln zunehmend im vorauseilendem Gehorsam [siehe Michel Foucault/Panoptikum]. Womit man eine ungeheure Destabilisierung der an sich gewollten Machtbalance vorfindet, die geradezu eine Einladung mit nach oben hin offenen, repressivem Potential für eine totalitäre Regierung darstellt.

Das sollte eigentlich reichen, um grundsätzlich über das in den letzten Jahren errichtete System nachzudenken und es dem unkontrollierten Verlangen der Dienste zu entreißen.

Update: NSA-Überwachungsskandal: PRISM, Tempora und Co. – was bisher geschah

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6 Antworten zu „No Such Stuff – No Such Limit“

  1. nick999999 schreibt:

    Wir sind schon Längst über den Punkt hinaus, das Geheimdienste noch kontroliert werden können. Durch Scheinargumente und hörige Lobbyisten, Politiker, Richter und Polizeibeamte kommt der Überwachungsstaat durch angeblich demokratische Legitimation.

    Nicht die Freiheit des Volkes wird hier geschützt, sondern das Volk in die Gleichschaltung geführt. Bedenklich ist für mich auch die Zweiteilung zwischen den einheimischen Untertanen und allen Ausländern der Welt, da diese Ausländer ja ohne Rechte ausgespäht werden müssen, um denn Terror zu bekämpfen.

    Überwachung hat die Welt nicht friedlicher werden lassen, sondern wie wir an vielen Staaten sehen, die ihre Bevölkerung überwachten, das dies immer in Unzufriedenheit der Massen führte.

    Mir ist es egal ob ich von der NSA, CIA, dem MI6 oder was-weiß-ich-für-welchen Geheimdienst überwacht werde. Denn ich möchte zu bedenken geben, das allen Menschen die Humanrights(Menschenrechte) zu erkannt werden sollen und nicht durch Überwachung die Selbstbestimmung ausgehebelt wird.

    [Admin-Edit: ich hab mal 1-2 „dicke Finger“ Typos aufgeräumt]

  2. XDragoon schreibt:

    Natürlich bewegen die sich auf dem Boden der Gesetze – anders könnten sie selbige ja nicht mit Füßen treten.

  3. sirdoom schreibt:

    Als Bewunderer der US-amerikanischen Verfassung sag ich mal „Amen„: Purer Selbstverrat

  4. Pingback: “Die Guten dürfen das!” |

  5. Pingback: “No Such Stuff – No Such Limit – Innenminister auf Tour” |

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