„Freistaat Bayern – Der erste bayerische Ministerpräsident“

Wenn man fragt, wer der erste Ministerpräsident des Freistaats Bayern war, bekommt man, wenn überhaupt, gerne Hans Ehard (CSU) genannt. Das stimmt aber nicht so ganz, denn der erste Ministerpräsident Bayerns, der den Freistaat Bayern überhaupt erst ausgerufen hat, war Kurt Eisner (SPD/USPD). o.O Und ein sozialdemokratischer, jüdischer Journalist und Revolutionsanführer, der den Freistaat Bayern überhaupt erst möglich gemacht hat, ist für die konservative, bayerische Seele schon schwer zu verkraften. 😉

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Kurt Eisner wurde am 21. Februar 1919 auf dem Weg zum bayerischen Landtag von Anton Graf von Arco auf Valley ermordet. Obwohl der Attentäter zum Umfeld der antisemitischen Thule-Gesellschafft gehörte (aus der er angeblich ausgeschlossen worden war, ob der jüdischen Herkunft seiner Mutter und denen er sein Anrecht auf Zugehörigkeit beweisen wollte), sah das Gericht unter Richter Georg Neithardt keine niederen Beweggründe. o.O Es muss auch angezweifelt werden, dass Graf Arco auf Valley wirklich ein „Einzeltäter“ war.

>> Dass Arco aber vermutlich kein Einzeltäter war, ließen bereits die damaligen Ermittlungen vermuten, in deren Verlauf ein Zeuge testierte, Arco sei unter monarchietreuen Soldaten als Attentäter ausgelost worden. Ähnlich äußerte sich in den 1960er Jahren Karl Leon Du Moulin-Eckart gegenüber einem Münchner Juristen: Du Moulin-Eckart sei Teilnehmer eines Treffens adliger Weltkriegsoffiziere in München gewesen, bei dem die Tötung Eisners besiegelt und das Los der Ausführung auf Arco gefallen sei. Gleichlautende Hinweise erhielt Jahrzehnte später der Historiker Thomas Weber von einem Verwandten des Weltkrieg-Offiziers Michael Freiherr von Godin. <<

Das nicht ernstgemeinte Todesurteil wurde auch, wie vorher wohl abgesprochen, am nächsten Tag von der neuen bayerischen Regierung in lebenslange Festungshaft umgewandelt, welche mehr einem fürsorglichen Hausarrest glich. 1927 folgte aus Anlass des 80. Geburtstags des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg seine endgültige Amnestie. Anton Graf von Arco auf Valley starb am 29. Juni 1945 nahe Salzburg, als er ein Pferdefuhrwerk überholte und mit einem ihm entgegenkommenden Jeep der U.S. Army zusamenstieß.

Neithardt sorgte später im Hitler-Prozess von 1924 auch dafür, dass keinem der Anführer des Hitler-Ludendorff-Putsches etwas Schlimmes passierte und machte später Karriere im Dritten Reich. Im Zuge der Entnazifizierung wurde hinsichtlich der erheblichen Pensionsbezüge seiner Witwe ein Spruchkammerverfahren gegen seinen Nachlass geführt. Zunächst wurde Neithardt als Hauptschuldiger eingestuft, sein Nachlass eingezogen. Über verschiedene Instanzen hinweg wurde dieser Vorwurf reduziert. Durch Kassationshofbeschluss des bayerischen Sonderministeriums wurde 1951 entschieden, dass Neithardt nicht belastet sei und das Verfahren wurde auf Kosten der Staatskasse eingestellt. 😛

Noch 1969 protestierte die CSU gegen die Benennung der Kurt-Eisner-Straße in München-Neuperlach: Das Feingefühl der Witwe des 1945 gestorbenen Grafen Arco-Valley könnte verletzt werden, wenn eine Straße nach dem Opfer ihres Mannes benannt werde. Erst 2011 wurde  ein Kurt-Eisner-Denkmal am Münchner Oberanger errichtet. Die Stirnplatte ist beschriftet mit „Jedes Menschenleben soll heilig sein„, einem Zitat aus Kurt Eisners Revolutionsrede, mit der er am 7. November 1918 die Bayerische Republik ausgerufen hatte.

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