„Kafkas Professor“

Das Glück begreifen, daß der Boden, auf dem Du stehst, nicht größer sein kann, als die zwei Füße ihn bedecken.“ – Franz Kafka –  Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg, 1917-19

Professor Roland Reuß ist ein deutscher Literaturwissenschaftler und Editionsphilologe. Nach seiner Habilitation 2003 ist er zunächst Privatdozent, seit 2007 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg und seit 2008 Honorarprofessor für Editionswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit Peter Staengle ist er Herausgeber der „Historisch-kritischen Franz Kafka-Ausgabe„. Zu der kommen wir aber gleich noch. Reuß ist auch Initiator des Heidelberger Appells, der „für Publikationsfreiheit und die Wahrung des Urheberrechts„*hust* eintritt. Dieser richtet sich primär gegen die Digitalisierung von urheberrechtsgeschützten Büchern (vor allem Google Book Search) und den Zwang zu offenen Publikationsformen durch Wissenschaftsorganisationen, die vom Steuerzahler bezahlt werden. Er hat auch eine Reihe von Artikeln in der FAZ verfasst, bei der er Open Access generell kritisiert. Reuß hat nun irgendwen gefunden, der weiß wie das mit „Internet“ funktioniert und der ist bei einem bekannten Internetversandhandel auf einen Raubmordnachdruck der oben erwähnten Kafka-Ausgabe von einem US-Verlag gestoßen und hat nun, zusammen mit seinem Mitherausgeber und Verleger, Amazon wegen Hehlerei verklagt. Begleitend dazu gibt er auch ein offensives Interview mit dem Buchmarkt(.de)[LINK]. Darin beleidigt er erst mal Lehrer, Eltern, Kinder, Netzpolitiker, Leute die wissen was ein Computer ist und allgemein den Verstand eines denkenden Menschen in dem der eine Reihe von Gehirnfürzen akademisch verpackt. Natürlich ist es ungesetzlich, einen genauen Nachdruck der Kafka-Faksimile von Reuß ohne Genehmigung zu verscherbeln.

Allerdings gibt es da ein gewisses moralisches und logisches Problem: Im Grunde ist Reuß selber – um in seiner Vorstellungswelt zu bleiben – ein kleiner Schmarotzer, der sich an der Arbeit anderer bereichert. Denn Franz Kafka ist seit 1924 tot. Um weiterhin in Reuß‘ Denkwelt zu bleiben, regt sich hier also ein Dieb darüber auf, beklaut worden zu sein, wobei diese Aussage natürlich eine Überspitzung darstellt, da er selber nach Recht und Gesetz nichts falsches tut. Aber ein wenig mehr Selbstreflexion und ein „einfach mal die Fresse halten, wenn man keine Ahnung hat„, wäre unter Umständen angebracht.

Dieser Beitrag wurde unter imperiale Politik, Kunst&Kultur, verbale Diarrhoe abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

8 Antworten zu „Kafkas Professor“

  1. Heiko schreibt:

    Aber, aber, aber, aber… Das ist WISSENSCHAFT! Ernsthaft, ernstzunehmend, Plu-bläb!
    Das kann man doch nicht vergleichen mit irgendwelchem Pöbel, der da an seinem K-k-komputer einfach DINGE tut!

    (Disclaimer: Ich bin technisch gesehen auch „Literaturwissenschaftler“ und „Akademiker“, aber derart abgehobenes, elitäres Elfenbeintürmeln solch echtweltentfremdeter Steuergeldsubsistenzler erinnert mich immer wieder daran, warum ich auf das „technisch gesehen“ solchen Wert lege…)

  2. sirdoom schreibt:

    Word, Bro!

  3. XDragoon schreibt:

    Was mit Steuergeldern finanziert wurde, soll auch für alle verfügbar sein, die für die lizenzierte Printausgabe bare Münze auf den Tisch legen!

    Wie gut, dass ich das gerade nur getippt habe. Gesprochen bekäme ich das nicht heraus ohne in Lachen auszubrechen.

  4. nick999999 schreibt:

    Mammon unser, der du Bust, auf unseren Konten.
    Geheiligt werde deine Gier,
    Mein Reichtum Komme
    Mein Wille Geschehe
    Wie auf meinem Konto so in meiner Brieftasche
    Der Anwälte Brot gib ihnen Heute
    Und vergib das wir Klauen,
    wie auch wir nicht unseren Plagiatoren
    Und gib uns die Versuchung.
    Und erlöse uns von unseren Bösen Räubern
    Denn dein ist der Reichtum und die Macht
    und der Glanz.

    In Ewigkeit Amen

    Ist das jetzt geklaut, oder hat es genug Schöpfungshöhe, um durch das Urheberrecht geschützt zu werden.;)

  5. farmerboy schreibt:

    Bibelzitate sind da allgemein eher unproblematisch was Urheberrecht angeht, von daher *g*

  6. Cunningham schreibt:

    Du bestiehlst also Jesus, DU PENNER?! 😉

  7. sirdoom schreibt:

    Ganz schlimm, die Bibel ist mittlerweile gemeinfrei. Sozialismus pur! Wegen solcher Schweinereien konnte auch dieser Terrorist Luther einfach eine deutsche Übersetzung anfertigen und wir wissen ja, was das ausgelöst hat. Mit besserem Urheberschutz wäre also auch der Religionsfrieden erhalten geblieben.

    Lustige Meldung mit Themenzusammenhang: MICOSOFT, ich wiederhole MICROSOFT(!!!), verlagert aus Sorge vor Verkaufsverboten ein großes Logistikzentrum von Deutschland in die Niederlande. Hintergrund ist ein Patentstreit mit dem Handy-Hersteller Motorola. Experten warnen, die deutsche Patent-Rechtssprechung schade dem Wirtschaftsstandort. [LINK] Realsatire!

  8. gondrino schreibt:

    Vielleicht kapiert die Content Mafia und ihre willfährigen Schergen irgendwann, dass sie diesen Kampf verlieren wird, wenn sie immer nur versucht längst Gestorbenes aka altes Urheberrecht am Leben zu erhalten. Die Hoffnung ist jedoch klein, denn da wo das große Geld mit kleinem Hirn regiert, kann wohl nichts wirklich Neues entstehen. So werden wir (die aufmerksamen Internetuser) noch lange viel Spaß haben und den gefährlichen, aber trägen Bären reizen bis er einen Herzinfarkt bekommt.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..