„Easter Promises – Teil 3 – Schattenspiele“

LONGINUS: Es ist vorbei! Ich habe meinen Preis bezahlt. Aber es war ein gutes Geschäft, denn meine Ehre war eh nicht mehr vorhanden. Und vielleicht war es auch einfach das Richtige. Stephanos war vor einigen Tagen zu mir gekommen und bot mir ein Geschäft an. Er wusste, dass ich hier raus muss. Aus diesem Höllenloch, das mir Frau Kinder, Glauben und Hoffnung geraubt hat. Stephanos hatte eine Freikarte dabei und alles was ich dafür tun musste, war ein Leben zu verschonen. Stephanos führte mich durch enge Gassen, aber nicht etwa zu den Armenquartieren. Der König der Mittellosen wohnte ganz unstandesgemäß in einem gepflegten und durchaus ansehnlichen Haus, was ihm einer der Händler zur Verfügung gestellt hatte, um Abbitte zu leisten für seine Sünden. Ich erkannte ihn sofort, den König der Könige der im Hintergrund mit einem Mann redete, der sich unter einer Kapuze versteckte.

Allerdings gaben mir seine Leibwachen einen Hinweis, denn die Legionärssandalen waren nicht zu übersehen, auch wenn sie sich Mühe gegeben hatten, sich zu verkleiden. Eine gutaussehende Frau wandte sich mir zu. Ich hatte schon von ihr gehört. Maria von Migdal war keine Prostituierte oder abgehalfterte Bettlerin, sondern die Tochter eines einflussreichen Landbesitzers. Die Tochter eines Hellenen, der ihr nach dem frühen Tod des einzigen männliche Erbens viel zu viel über Politik und Recht beibrachte. Und von dem sie alles erbte und damit Jesus Kampagne finanzierte. Eine Frau die schlauer und schlagfertiger war als die meisten Männer, die ich kannte. Und die viel zu viel in den politischen Kampf um die Macht investiert hatte, der zwischen der Priesterkaste und den Händlern und Landbesitzern tobte. Es ging um Geld, wie so oft wenn Glaube vorgeschoben wurde. Aber als ich Jesus und sie so sah, war ich mir nicht sicher, ob mittlerweile nicht mehr dahinter steckte.

Als ich Marias Sonnenbrosche sah, wunderte ich mich zuerst über das Zeichen Sol Invictus an einer Andersgläubigen, doch dann sah ich den eingearbeiteten Speer. Mithras sei mit mir! Und so wurde ich ein entscheidendes Rädchen in einem Plan, der möglicherweise die ganze Region erschüttern könnte. Und alles was es dazu brauchte war ein Centurion, ein gefälschter Mannschaftsplan, eine Schweineblase voll Blut und eine Todeserklärung. Und ich würde mit ausreichend Geld auf einem Boot gen Heimat sitzen.

Magdalena mit der Öllampe,George de la Tour, 1640

HOHEPRIESTER OLIN: Die Feier war in vollem Gang. Die Bedrohung der spirituellen und damit auch wirtschaftlichen Vorherschaft der Priesterkaste war ausgeschaltet und man erbaute sich an zukünftigen Plänen. Wie man die Römer los würde, wie man die Kontrolle über die anderen Mächtigen des Landes ausbaute und wie man ewig von der süßen Macht kosten würde. Ich, Hohepriester Olin von Jerusalem, wusste es besser. Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen war ich bis zum Ende der Prozession vor Ort geblieben. Ich hatte gesehen, wie die Stimmung kippte, hatte gehört, wie der Mob von Anfeuerung zum Wehklagen kippte. Und mir war nicht entgangen, wie Meinungsmacher in der Menge geschickt vorgegangen waren, wohingegen Massalla – unser gekaufter Vasall, ein totaler Idiot, den Caesar an ein Ruder gefesselt hätte, wenn er noch leben würde – am anderen Ende der Stadt war und seine Soldaten sich gegenüber der Menge zurückhielten.

Stattdessen hatte ich den gewieften Pontius Pilatus gesehen, der vom Dach seiner Stadtvilla mit einem Haifischgrinsen den Ablauf verfolgte. Ich hatte meine Kollegen eindringlich gewarnt Pilatus als verweichlichten und kraftlosen Bürokraten zu betrachten. Niemand dessen Familie so unbekannt war, stieg so weit auf, wenn er nicht ein fähiger Mann war. Und auch wenn Pilatus ein Freund der schönen Künste und des leichten Lebens ist, so war mir schon früh aufgefallen, dass vieles davon Fassade war. Und Pilatus Inkompetenz aufgrund seiner Vorliebe für Feierlichkeiten zu unterstellen war in Anbetracht der Feier auf der meine Kollegen gerade die Sau raus ließen ein schwerer Anfall von Hybris. Die anderen Priester waren sich sicher, dass die ganze Geschichte nun zu ihren Gunsten ausgehen würde. Ich hatte gestritten und darum gebeten eine andere Lösung zu finden, denn ich war mir keinesfalls so sicher, wie sich die Dinge entwickeln würden. Im Gegenteil standen die Zeiten ganz allgemein auf Sturm und wer sich den neuen Gegebenheiten nicht anpasste würde untergehen.

Blitz und Donner durchzuckten die Nacht und ich musste an all die historischen Ereignisse denken, wo fette, alteingesessene Machtzirkel von neuen, von unten kommenden Bewegungen aufgesprengt wurden. Und wenn diese Bewegungen auch noch von jemandem finanziert wurden, der allen Grund hatte, die bestehenden Machtzirkel nicht zu mögen, stand vielleicht sogar ein Judäischer Frühling bevor.  Mir fröstelte…

Easter Promises – Teil 1 – Der Lauf der Dinge

Easter Promises – Teil 2 – Das Kreuz mit der Verantwortung

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8 Antworten zu „Easter Promises – Teil 3 – Schattenspiele“

  1. XDragoon schreibt:

    Darf ich das, wenn Du fertig bist, ausdrucken und unter dem Titel „Doom-Evangelium“ in jede hier im Buchhandel ausliegende Bibel einlegen?

  2. sirdoom schreibt:

    So lange mein Name auch drauf steht, gerne 😀 Teil 4 mit großem Finale kommt morgen! 🙂

  3. Wallace schreibt:

    @XD: Nimm bitte jemanden mit, der Bilder davon macht wie Du aus der Buchhandlung geworfen, von militanten Christen angegriffen und am Ende vermutlich verhaftet wirst. Denn das nicht zu dokumentieren wäre wirklich (jetzt kommt’s…) Sünde! 😀

    (Nicht das das jemand falsch versteht: Du solltest das auf jeden Fall tun! :))

  4. sirdoom schreibt:

    Super Idee Wallace!!! Das bietet Stoff für mindestens 2 Wochen! Kannst du auch gleich die „christlichen“ Randalierer organisieren, man soll sowas ja nicht dem Zufall überlassen. Mir ist übrigens vollkommen egal, ob die Christen sind oder nicht, Hauptsache sie randalieren und und brüllen Dinge wie „Jesus Christus ist unser Kriegsherr!“, „Erlösung durch Tod“, o.ä. 😉

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  6. Cunningham schreibt:

    @doomi: Man hast Du Glück, das Jesus Humor hat.

  7. sirdoom schreibt:

    Wenn Jesus keinen Humor hätte, dann hätten Monty Python längst Himmefahrt gehabt. Wenn Gott keinen Humor hätte, dann gäbe es keine Menschen 😉

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