„Review – Die Tribute von Panem“

Nachdem Nordamerika von einer Naturkatastrophe heimgesucht worden war, gründete sich daraus der diktatorische Staat Panem. Er besteht aus 13 Distrikten und dem Kapitol als Regierungssitz. Während es den Menschen im Kapitol gut geht, kämpfen die Menschen in den Distrikten ums tägliche Überleben. Schließlich kam es in Distrikt 13 zu einem Aufstand, in Folge dessen er angeblich vom Kapitol vernichtet wurde. Um derlei Aufstände in Zukunft zu verhindern, begründet das Kapitol die sogenannten Hungerspiele. Bei der Auslosung der Spielkandidaten für die 74. Hungerspiele wird Primrose Everdeen als Kandidatin der Spiele ausgelost. Sie ist allerdings sehr jung und so meldet sich ihre ältere Schwester Katniss Everdeen als Freiwillige für die Spiele und löst sie von der Verpflichtung. Zusammen mit dem ebenfalls aus Distrikt 12 stammenden Peeta Mellark reist sie ins Kapitol, um sich dort für die Spiele vorzubereiten und diese zu gewinnen.

Die Tribute von Panem, nach der gleichnamigen und durchaus gelungenen Romanreihe*, ist eigentlich eine ganz alte Geschichte. In laufenden Bildern begann sie wohl 1932 mit Graf Zaroff – Genie des Bösen (The Most Dangerous Game), die ich in der vom genialen Ray Harryhausen(Clash of the Titans, 1981er Fassung!) restaurierten Farbfassung auf DVD habe. The Running Man von  Stephen King, was er unter dem Pseudonym Richard Bachman schrieb, samt gleichnamigen Film, Das Millionenspiel und wesentlich näher noch das grandiose, oft unterschätzte und auf seinen Gewaltgrad reduzierte Battle Royale(die deutschen Fassungen sind Schnittgemetzel und Fassungschaos, erst schlau machen, bevor man sich da die DVD/BluRay holt!). Eh schon unterdrückte und ausgebeutete Menschen werden in einem Unrechtsstaat zu einer Form von Gladiatorenspielen gezwungen. Mal wird sowas mit reiner Belustigung des Volkes erklärt, mal soll es Angst und Schrecken verbreiten und Rebellionen unterdrücken. Wo Battle Royale eine gewalttätige Gesellschaftsstudie zum Verhältnis von Jungen und Alten ist, so remixt die Tribute von Panem das Thema geschickt als Klassenkampf und mit dem Vergleich von Castingshows und medialer Ausuferung.

* Wer in die Richtung mal was wirklich gutes, provokantes und fieses lesen will, sollte sich an Die Kuppel(The Inferior) und den Nachfolger The Deserter des irischen Autors Peadar Ó Guilín ran wagen.

Ich wollte den Film wirklich mögen und er ist auch besser als ich ihn jetzt mache, aber hier werden Kardinalsfehler begangen die unentschuldbar sind. Die Kameraführung, die auch der geringen Jugendfreigabe geschuldet ist, ist wirklich unzumutbar. Das Gewackel lässt die Jason Bourne Filmtrilogie wie Landschaftsportraits aussehen und wäre hier wieder mal in 3D nachträglich konvertiert worden, wären wirklich alle kotzend aus dem Film gerannt. Selbst in Anbetracht der Zielgruppe hätte es andere Mittel gegeben, um den Gewaltlevel zwar glaubhaft, aber besser rüberzubringen. Dies führt auch dazu, dass die meisten Actionszenen komplett unübersichtlich sind – wer macht da eigentlich gerade was? – und dabei auch keinerlei Spannung aufkommt. Ansonsten ist der Film technisch ganz in Ordnung; Sound ist okay, die Spezialeffekte sind keine Offenbarung aber solide und die realen Sets sind wirklich schick. Warum das alles allerdings nach Steuerrabatten immer noch 80 Millionen gekostet haben soll, verschließt sich mir.  Der weitere Haken liegt in der Struktur des Filmaufbaus. In wirklich langen 140 Minuten passiert eigentlich gar nicht so viel, aber gerade die Gegner, wenn der Kampf losgeht, sind unglaublich beiläufig gezeichnet und werden teilweise am Stück nebenbei abgehandelt. Wie soll Sympathie, Wut, Hass, Zuneigung, irgendwas aufkommen, wenn da nur irgendwelche Goons niedergemetzelt werden? Konfrontationen stehen und fallen mit den Kontrahenten! Dazu kommen massive World Building – Probleme.

Warum sollte man Leute in runtergekommenen Distrikten mit Spitzhacke Bergbau wie vor 100 Jahren betreiben lassen, wenn man Magnetzüge hat, Nanotechmedizin(die Salben) oder gleich mal neue Spezies am Reißbrett designt, bzw. riesige Holotanks hat? Und wenn man diese Technik hat und die Distrikte nicht, warum sollte man dann Angst vor Rebellionen haben? Warum schickt man Sturmtruppen hin, die nicht mal die Bergfestparty eines Trupps Wehrdienstleistender im Puff aufmischen könnten? Letzteres kann man notfalls noch mit viel suspension of disbelief wegignorieren und sich besser mit dem ansonsten schicken, leicht Julian Comstockesken Setting beschäftigen, von dem aber zu wenig gezeigt wird. Schauspielerisch gibt es Licht und Schatten. Die Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence hat seit X-Men – Erste Entscheidung nicht wirklich viele Gesichtsausdrücke dazu gelernt. Immerhin sieht sie nicht mehr ganz so knödelig aus. Die beiden männlichen Love Interests bleiben eher blass. Woody Harrelson hält sich zwar mehr als sonst zurück, spielt aber zusammen mit Donald Sutherland als bösem Präsidenten und Stanley Tucci als Prototypen des Showmasters ohne Gewissen den Rest der Besetzung wunderbar an die Wand und es macht Spaß ihnen dabei zuzusehen.

Fazit: Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu alt, habe zu viele Stoffe gelesen oder selber geschrieben, die in die Richtung gehen oder brauche eine neue Brille. Aber ich kann hier keine Empfehlung geben, sich die Tribute von Panem im Kino anzuschauen und einige der Jubelarien im Feuilleton sind mir ein totales Rätsel. Wenn der Film auf DVD rauskommt, kann man aber ruhig mal einen Blick drauf werfen. Im Heimkino dürfte wahrscheinlich auch das Wackel-Cam-Gewitter nicht so unglaublich negativ auffallen.

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24 Antworten zu „Review – Die Tribute von Panem“

  1. Andai schreibt:

    Ok, das bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen…wobei ich auch mit der Buchreihe meien Probleme hatte..vorallem der Hauptdarstellerin und der tatsache, dass die Autorin (mal wieder typisch für die Damenwelt in diesem Genre) das Ganze um eine *Liebesgeschichte* herum strickt….wobei ich echt ein Fan von dieser Art Setting bin….klingt so, wie du es schreibst, dass der Film noch um Längen miserabler ist, weil nahezu alles, was die Bücher dann doch interessant machte, sehr oberflächlich bis nicht vorhanden ist.

    Weiß nicht, ob ich dafür so viel Geld ausgeben mag…denke da tut der DVD Release völlig ausreichen.

  2. sirdoom schreibt:

    Wie bereits erwähnt, so schlecht wie wie ich ihn mache ist der Film gar und im Vergleich zu anderen „jungen“ Franchises würd ich mal sagen „Nicht Harry Potter, aber weit entfernt von Twilight“. Kann man sich durchaus anschauen. Hauptkritikpunkte sind wie gesagt die wackelige, dem „Jugendschutz“ geschuldete Kamera, die Kontrahenten und einige Logiklücken. Womit aber andererseits auch schon wieder meckern auf hohem Niveau angesagt ist, ich sag nur mal Transformers. DVD anschauen reicht aber imho völlig. Aber ich bin wahrscheinlich nur zu alt für den Scheiß 😉

  3. rabenaas schreibt:

    „Schließlich kam es in Distrikt 13 zu einem Aufstand, in Folge dessen er angeblich vom Kapitol vernichtet wurde. Um derlei Aufstände in Zukunft zu verhindern, begründet das Kapitol die sogenannten Hungerspiele.“ – Genau. Weil nichts die unterdrückten Massen in den Ghettos besser zum Frieden anhält, wie ihnen die Kinder wegnehmen und diese unter großem Hallo im öffentlich-rechtlichen Fernsehen niederzumetzeln. Schon an dieser Stelle, WEIT vor dem ersten Gedanken, sich den Film anzusehen, ist meine „Willingness“ den eigenen Belief zu suspendieren bereits vorbei. Ärgerlich.

  4. sirdoom schreibt:

    Na ja, DSDS funktioniert ja auch, wenn auch weniger blutig…. 😉

  5. korsar schreibt:

    Hmm, nachdem mir zumindest das erste Buch ziemlich gut gefallen hat (zwei ging so und drei… reden wir nicht drüber…) werd ich mir den wohl auf DVD anschauen.

    @Battle Royale: Ich bin ja immer noch großer Fan der Manga-Version, die auch noch um einiges anders läuft als der Film. Den Roman allerdings hab ich schon hier, aber immer noch nicht gelesen.

  6. Nogger schreibt:

    Danke für die Rezi – tatsächlich hab ich es von Deiner Meinung abhängig gemacht ob ich ihn sehen will und Du bestätigst meine Befürchtungen… Ich werd’s mir dann mal irgendwann auf DVD geben – und wehe ich stelle dann fest Du hast Mist erzählt. 😉

  7. sirdoom schreibt:

    Ich finde den Roman Battle Royale etwas sehr zäh…

  8. sirdoom schreibt:

    Ich bin geschmeichelt und schockiert, stehe aber zu meiner Review. Und der Aussage, dass das auch am Alter liegen kann 😉

  9. korsar schreibt:

    Das sagten mir die ersten 50 Seiten auch… 😀 Wie gesagt, am Besten gefallen mir immer noch die Mangas

  10. ChristophXemides schreibt:

    Ich werde mir den Film wohl nächste Woche selber ansehen.

    Aber bei deinen QUellensuche am Anfang fehlt Robert Sheckleys Kurzgeschichte „The Price of Perill“ von 1958, von dem sch Das Millionenspiel hat inspirieren lassen.

  11. sirdoom schreibt:

    Danke, Schande über mich. Sheckley hätte ich im Zusammenhang echt erwähnen sollen, gerade auch wegen The Hunting Game und auch weil er die Vorlage für den Film Condorman geliefert hat, den ich als Kind ganz super fand! 🙂

  12. gondrino schreibt:

    Ich hab ihn angeschaut. Er ist spannend. Er zeigt eine dystopische Welt. Er unterhält. Alle Kritikpunkte Sir Dooms treffen zu, haben aber meinem individuellem Kinovergnügen nicht geschadet. Werde mir auch die Fortsetzung im Kino geben.

  13. Pingback: “Die Kuppel – Oder warum ich deutsche Verlage mal wieder treten könnte!” |

  14. Lallek schreibt:

    sehr nahe ist auch „Todesmarsch“ http://de.wikipedia.org/wiki/Todesmarsch_(Stephen_King)

    ich hab erst den film gesehen und dann das buch gelesen. die notorisch noergelnde und alles hassende teenagerin ging mir ab buch 2 extrem auf die nerven. in buch 3 wurds dann noch seltsamer – naja, teil 2 und 3 werd ich auf dvd anschauen.

  15. sirdoom schreibt:

    Ich nehm das mal als Warnung vor den Fortsetzungen der Bücher 😉 Wahrscheinliche Fortsetzungen des Films – hat genug eingespielt – werd ich mir auch durchaus anschauen, aber im Heimkino.

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